- 8. Mai, 2025
Ineffizienzen erschweren Versorgung uro-onkologischer Patient:innen
Die aktuell 4. Folge des Österreichischen Onkologie Forums (ÖOF) widmete sich am 6.5.2025 den Versorgungsstrukturen für Patient:innen mit urologischen Tumoren und stellte den aktuellen Ist-Stand möglichen Zukunftsperspektiven gegenüber.

Am Podium von links nach rechts: Dr. Ronald Pichler (PHARMIG), Dr.in Silvia Bodi (Landesgesundheitsagentur Niederösterreich), Mag. Stefan Eichwalder (Gesundheitsministerium), Prim. Univ.-Prof. Dr. Felix Keil (ÖGK), Univ.-Prof Dr. Stephan Kriwanek (Gesundheit Burgenland), Dr. Thomas Czypionka (IHS), Priv.-Doz.in Dr.in Kathrin Strasser-Weippl (OeGHO), Prim. Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Hilbe (OeGHO)
Das ÖOF ist ein interdisziplinärer, unabhängiger Think-Tank der Österreichischen Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie (OeGHO). „Wir verfolgen das Ziel, in einen praxisnahen und lösungsorientierten Dialog zu Versorgungsthemen von Patient:innen mit onkologischen Erkrankungen in Österreich mit Stakeholdern aus dem Gesundheitswesen zu treten“, ruft Prim. Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Hilbe, Past-Präsident der OeGHO, zum Veranstaltungsauftakt in Erinnerung. Das bewährte Dialog- und Denkformat wurde von der medizinischen Leiterin der OeGHO, Priv.-Doz.in Dr.in Kathrin Strasser-Weippl, moderiert. Sie hob einleitend eine Besonderheit und damit Herausforderung in der Versorgung von urologischen Tumoren hervor: „Die Uro-Onkologie ist ein Spezialgebiet, in dem auch viele niedergelassene Urolog:innen als zentrale Drehscheibe eingebunden sind und damit völlig neue Versorgungsfragen außerhalb des Spitals oder an Schnittstellen auftreten, die es in dieser Form in anderen onkologischen Bereichen nicht gibt.“
Lösungen für knapper werdende Kapazitäten
Fragen der Effizienz waren ein roter Faden, der sich durch die Diskussion zog. Viele Spitäler sind mit Untersuchungs- oder OP-Terminen an ihre Kapazitätsgrenzen gelangt. Das erfordert nicht nur Geduld und lange Wartezeiten aufseiten der Patient:innen, sondern auch ein aufwendiges Terminmanagement sowie die Koordination und die Abstimmung mit extramuralen Versorgungsangeboten wie Labor oder bildgebender Diagnostik. Unter dem Stichwort „Triage“ müssen weniger dringliche Patient:innen umgereiht werden, der Abstimmungs- und Organisationsaufwand belegt Ärzt:innen mit zusätzlichen administrativen Tätigkeiten. „Das verursacht neuerlich Kosten, etwa weil Überstunden bezahlt werden müssen. Je näher ein Spital also an seiner Kapazitätsgrenze arbeitet, desto höher sind die organisatorischen Aufwände für zusätzliche Patient:innen. Damit wird es letztlich sehr ineffizient. Diese Belastungen werden mit der demografischen Entwicklung künftig auch noch steigen“, prognostiziert Dr. Thomas Czypionka, Leiter der Forschungsgruppe Gesundheitsökonomie und -politik am Institut für Höhere Studien (IHS).
Für Dr.in Silvia Bodi, MSc. von der Landesgesundheitsagentur Niederösterreich sind die Einrichtung von Erstversorgungsambulanzen, die Bündelung von Tumorboards und der Ausbau der OP-Kapazitäten ein Gebot der Stunde. „Der Aufbau operationstechnischer Assistenzkräfte, von denen heuer die ersten 30 ihren Abschluss machen, war für uns ein Teil der Lösung und hat Jahre Vorarbeit erfordert“, sagt Bodi. Eine Unterversorgung in der Urologie im niedergelassenen Sektor ortet auch Univ.-Prof Dr. Stephan Kriwanek, medizinischer Geschäftsführer der Gesundheit Burgenland – mit der Konsequenz, dass in den Spitälern ein Versorgungsshift zu beobachten ist: „Onkologische Patient:innen haben Vorrang und manche Aufgaben müssen ausgelagert werden.“
Die vermeintlich einfache Lösung einer Verlagerung von CT- und MR-Untersuchungen in den extramuralen Bereich schafft neue Herausforderungen, etwa bei der Übermittlung und Qualität der Bilder oder dem Verlust radiologischer Expertise im Spital, die auch in der Ausbildung des Nachwuchses von hoher Bedeutung ist. In diesem Zusammenhang meint Prim. Univ.-Prof. Dr. Felix Keil aus dem Wiener Hanusch-Krankenhaus und Vertreter der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK), dass ein Versorgungsnetzwerk mit extra- und intramuraler Versorgung innerhalb eines Versorgungsträgers eine Lösung bei Beibehaltung der zentralisierten onkologischen Versorgung sein kann. Einig ist er sich mit Mag. Stefan Eichwalder, Abteilungsleiter aus dem Gesundheitsministerium, dass der Ausbau der Digitalisierung, die Nutzung der Dateninfrastruktur von ELGA, die Diagnosecodierung, aber auch die von der EU geforderten einheitlichen Datenaustauschformate oder eine Patient Summary im Rahmen der Implementierung des European Health Data Space wichtige Schritte zu mehr Effizienz sein werden.
Forschung und Innovation als Standortfaktor
Weitere Brennpunktthemen waren der Zugang zu innovativen Therapien – sowohl extra- als auch intramural – sowie die Chancen, klinische Studien durchzuführen. Auch hier zeigt sich, dass bürokratische Hemmnisse und die fehlenden einheitlichen Strukturen die Arbeit der Ärzt:innen im Spitalsalltag erschweren und die Zahl der klinischen Studien, die in heimischen Spitälern durchgeführt wurden, in den letzten Jahren deutlich rückläufig war. Mitentscheidend für ein Investment ausländischer Pharmakonzerne sind die Geschwindigkeit und die Flexibilität, um mit innovativen Produkten in den Markt zu kommen – bei beiden Faktoren positioniert sich Österreich weder in Europa noch international derzeit als Vorreiter. Dass sich diese Rolle rasch ändern muss, betont Dr. Ronald Pichler, Head of Public Affairs & Market Access der PHARMIG: „Klinische Studien bringen nicht nur neue Behandlungsoptionen für Patient:innen, sondern holen auch Investitionen, Expertise und internationale Sichtbarkeit nach Österreich.“
Auch beim Zugang zu neuen, innovativen Medikamenten zeigt sich ein fragmentiertes Bild mit vielen involvierten Instanzen, doppelten Bewertungen und bürokratischen Hürden für Ärzt:innen und Spitäler. Strasser-Weippl nimmt ihren Auftrag aus der Podiumsdiskussion mit, zu all diesen Themen auch in den kommenden Monaten mit den Stakeholdern im intensiven Dialog zu bleiben. „Die Leistungsdokumentation und -kennzahlen von Tumorboards, die klinische Forschung und der Zugang zu Medikamenten ohne administrative Hürden werden weiterhin auf unserer Agenda ganz oben stehen“, betont die Medizinerin abschließend.